Sonntag, 5. Dezember 2010

Una notte italiana - damals und heute

Wie sehr sich das Leben verändert und vor allem wie schnell das passiert, spürt man in manchen Momenten wehmütig. Wird der Gegensatz zu früher jedoch besonders augenscheinlich, so ist das Erlebte mehr Anlass zu Belustigung denn zu Melancholie. Wie an diesem Wochenende: Mein Freund und ich wurden zu einer Feier in die Wohnung von Bekannten geladen, das Thema des Abends war "Una notte italiana".

Schon die Einladung ist vielversprechend: die Karte mit angedeutetem Olivenzweig als Motiv liegt schwer in der Hand und besteht bestimmt aus handgeschöpftem Papier. Der Text auf der Rückseite wurde vom Gastgeber mit einer edlen Füllfeder und viel Sorgfalt geschrieben. Sofort haben wir beide das Gefühl, dass er sich sehr auf unseren Besuch freut und sich mächtig ins Zeug legen wird. 

Diese Mühe schon bei der Einladung um die Vorfreude zu erhöhen, das Motto des Abends, das alles erinnerte mich an die Wohnungsparty meines damaligen Studienkollegen. Vielleicht vor drei oder vier Jahren? Über Youtube verschickte er einen aufwendigen, selbst-produzierten Trailer mit leicht bekleideten italienischen Schauspielerinnen und den Eckdaten, wann und wo das Gelage stattfinden solle. 

Nun gut, zurück zu unserem Wochenende: der Gastgeber empfängt uns - nachdem wir pünktlich mit Wein und Geschenk an der Tür klingeln - herzlich und untadelig gekleidet in Hemd und Seidenschal. Noch lässig die vorbildhaft gebügelte und farblich zu dem Schal passende Küchenschürze um die Hüften, bittet er uns in seine Wohnung und sagt: Bei uns dürft ihr die Schuhe im Vorraum ausziehen, ihr müsst das nicht draussen im Flur machen!

Schuhe ausziehen? Nachdem wir um ein, zwei Stunden verspätet vor der WG-Tür standen - schließlich verfliegt der Tag wenn man regelmäßig um die Mittagszeit aufsteht - warteten wir erstmal einige Zeit in der Kälte. Warum hörte denn niemand die Klingel? Dumpf vibrierte der Bass der viel zu lauten Musik nach draußen und verhieß eine brodelnde Stimmung. Endlich betätigte jemand den Öffner, es surrte und wir durften rein ins Geschehen. Ein Schwall an Zigarettenrauch, verbrauchter Luft und Wärme hieß uns willkommen, der Gastgeber war dabei nicht zu finden. Egal, Hauptsache ein Haufen gut gelaunter Leute die tanzen und die Bar ist noch voll bestückt. Was hat eigentlich Wodka mit Italien zu tun?

Das Menü des Hobbykochs in Seidenschal ist perfekt: Zuerst ein Buffet mit Antipasti bestehend aus in Rotwein eingelegten Zwiebeln, gebratenen Zucchini mit Frischkäse und gerösteten Pinienkernen auf eingelegten Paprika. Über allem ein kräftiger Schuss dieses göttlichen Olivenöls, das der Gastgeber im letzten Italienurlaub mit seiner Freundin selbst hergestellt hat. Danach ein Pilzrisotto als Platti Primo und als Krönung Rum-Topfen Palatschinken mit Himbeeren, die scheinbar auch im Süden beliebt sind!

Da wir uns verspätet hatten, sind von dem ohnehin spärlichen Arrangement der  Plastikschüssel nur noch die Erdnußflips und vereinzelt ein paar Chips über. Die wurden mittlerweile jedoch mit Straßenschuhen in den Teppichboden getreten und stellen am nächsten Tag wohl eher einer Herausforderung beim Aufräumen dar als ein Abendessen. Wir beschlossen nochmal zu dem Würstelstand um die Ecke zu laufen für eine Käsekrainer. Wenn wir dann hoffentlich wieder reingelassen werden...

Am Ende eines Abends voller lukullischen Genüsse, gedämpfter italienischer Musik und anregender Gespräche über zeitgenössische Maler, suchen wir leicht angeheitert auf Youtube nach Italo-Schinken. "Serenata-Rap", "Gente die Mare" und Adriano Celentano mit seinem unvergesslichen Tanz gegen die Weinpresse in "Der gezähmte Widerspenstige" wecken nostalgische Gefühle. Kichernd kramen wir immer wieder neue Stücke aus der Erinnerung, bei einigen tanzen wir sogar. Auf dem Heimweg bestätigt mir mein Freund im Taxi: War wieder schön.

Es dämmerte langsam, die Party meines Studienkollegen ging zu Ende. Ein letzes Mal legte ein Freund "Ragazzo della via Gluck" von Adriano Celentano auf - die betrunkene Menge grölte die nunmehr kaum erkennbare Melodie und fiel sich zum Abschied in die Arme: Was für eine Nacht!

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