Montag, 29. November 2010

Zeitalter des Verzeihens

Groß ist die Aufregung um Wikileaks allemal. Sind die pikanten Enthüllungen von heute aber der "11. September der weltweiten Diplomatie", wie Italiens Außenminister Franco Frattini so fassungslos behauptet? Was als Laie überrascht und herrlich amüsiert ist dieses scheinbar belanglose Getratsche der Diplomaten auf Boulevard-Zeitungsniveau. Wer hätte wohl gedacht, dass nicht nur einschlägige Zeitungen Frau Merkel eine Teflon-Attitüde assistieren oder Herrn Westerwelle Eitelkeit? Interessant ist es zu erfahren, ob all diese Einschätzungen nun Grundlage von folgenschweren Entscheidungen der USA sind. Oder differenzieren die Politiker im so "wortseligen Westen" zwischen persönlichen Befindlichkeiten und Handfestem? 
Was der Skandal eindeutig belegt ist vorläufig nur eines: Dass sich unsere Medienlandschaft grundlegend verändert hat. Ein "Aufdecker"-Portal wie Wikileaks spielt mit dem Establishment, zerrt mehr oder weniger brisantes Material ins öffentliche Bewusstsein, lässt die Information ohne jeglichen journalistischen Anspruch wie eine Bombe platzen und freut sich diebisch über den angerichteten Schaden. Ausgewählte Medien wie die NY-Times und der Spiegel entschlüsseln die schwer lesbaren Depeschen in Abwägung mit der amerikanischen Regierung und bereiten die Information auf. Ein Ende des Qualitätsjournalismus kann ich bei der Bearbeitung nicht erkennen, in diesem System hat jeder seinen Platz. Dem investigativen Element Wikileaks wird mehr Raum zugesprochen, ja, und meiner Meinung nach in diesem Fall zu recht! Vorbei sind die Zeiten des Getuschels hinter vorgehaltener Hand, vorbei das Getratsche. Treten wir ein für mehr Ehrlichkeit und Offenheit im Umgang miteinander und im Austausch der Ansichten. Der 29. November 2010 könnte auch für die   Renaissance der Diplomatie stehen!
Eines wird im neuen Medienzeitalter der Transparenz jedoch immer mehr an Bedeutung gewinnen: Das Verzeihen. Wenn alle Schritte derart publik werden können und Daten theoretisch bis zum Server-GAU von Wikileaks vorrätig sind, dann ist das der Beginn des Verzeihens, wenn Vergessen nicht mehr möglich ist. 

Sonntag, 28. November 2010

Winterlandschaft im November? Wie fürchterlich!

der Arme
Also bei dem Wetter jagt man normalerweise keinen Hund vor die Tür. Lange haben mein Bewegungsdrang und die pure Gemütlichkeit miteinander gerungen. Der erste hat gewonnen zum Leidwesen meines treuen Begleiters, der - eine Beschönigung - nicht wirklich überzeugt war. Der erste Schnee in diesem Winter? Wie fürchterlich! Die frische Luft? Wie abstoßend! Naja, am Ende der wider Erwartens netten Runde war es dann auch ganz schön, nach Hause zu kommen.

Samstag, 27. November 2010

Eine Österreichische Tradition

Tabus begegnen uns mehrmals täglich, obwohl wir in unserer aufgeklärten Gesellschaft meinen, über alles reden zu dürfen. Trotzdem ist Verdrängen und Vergessen weiterhin ein wichtiger Bestandteil, um ein unbeschwertes, sorgenfreies Leben zu führen. Ich glaube, das gilt für jeden von uns.

Was macht man aber, wenn man etwas erfährt, was die eigene Lebensqualität unmittelbar betrifft, es aber nicht so einfach vergessen kann? Gerade habe ich das Buch "Tiere essen" von Jonathan Safran Foer gelesen. Damit trifft das Geschriebene den Nerv der Zeit, denn dass etwas an der Lebensmittelproduktion der industrialisierten, auf Gewinnmaximierung gedrillten Welt verdächtig ist, das denkt beinahe jeder insgeheim. Ansonsten könnte "Tiere essen" ja vollkommen unvoreingenommen gelesen werden. So ist es aber nicht. Vernimmt man den Titel, enstehen bestimmte Bilder im Kopf und die leise Ahnung: Irgendetwas ist nicht in Ordnung damit, wie unser Schnitzel auf den Tisch kommt. Darüber zu reden ist im täglichen Leben ein Tabu, eine Verdrängung die wir rund drei mal täglich vor jeder Mahlzeit schaffen. Somit nahezu eine Leistung! Das klappt auch deswegen, weil das Fleisch auf unserem Teller nicht mehr aussieht wie ein Stück totes Tier, sondern mit einer goldbraunen Semmelbröselschicht ummantelt wird.


Kann ich das Wissen wieder verdrängen, dass auch in Österreich 98% des konsumierten Fleisches aus Massentierhaltung stammt? Ohne recherchiert zu haben hatte ich vor ein paar Wochen noch das Bauchgefühl, die Kleinbauerlichen-Strukturen sind hier stärker ausgeprägt als in den USA oder Deutschland. Fakt ist: Damit wird Nutztieren wie Schweinen, Rindern und Hühnern auch bei uns ein würdevolles Leben und Sterben verwehrt. Möchte ich das wieder verdrängen, für den flüchtigen Genuss eines knusprigen Stück Fleisches? Vielleicht. Ich hoffe nicht. 

Donnerstag, 25. November 2010

Station Wien oder zusammenleben ist spannend

Heute wurde ich zu einem mit viel Liebe organisierten Fest eingeladen. Der Veranstalter, "Station Wien", ist ein Verein, der sich der Integrationshilfe von Menschen verschiedenster Nationen mit Österreichern widmet. Gegen Ende organisierten die freundlichen Sozialarbeiter einen Tanz mit den Gästen - das Foto zeugt davon. Als Kamerafrau konnte ich dem gerade noch entkommen - dafür bin ich einfach zu schüchtern. 



Für Buffet und Kaffesud-leserin (wie exotisch!) war ich zwar zu spät dran, doch ich konnte als Ausgleich einen starken, schwarzen Tee mit Zucker in diesen kleinen türkischen Glasern ergattern. Und wer stand bei der Ausgabe? "Cutie Pie" und "Busy Bee"! Die Schwestern, mit denen ich bis Juni diesen Jahres die Mathe-Hausübung gemacht habe. Die Wiedersehensfreude war groß. Die Mädls meinten im Sommer, dass sie keine Nachhilfe mehr benötigen, sie sind schon viel besser. Busy Bee trug heute zum ersten mal ein Kopftuch, wie mir ihre Mutter stolz bestätigte. Sie ist die einzige der vier Schwestern mit Bedeckung. Die Familie kenne ich nun schön länger und nehme alle Mitglieder auf ganzer Linie modern, bildungsorientiert und offen wahr - ihre Gastfreundschaft und Wärme ist überwältigend. Keine Frage, das Tuch stand Busy Bee ausnehmend gut. Gerne hätte ich sie gefragt, warum sie sich heute entschlossen hat, dieses zu tragen und ob Sie damit etwas aussagen möchte. So über die Theke und bei den vielen Besuchern hatte ich dafür aber leider keine Gelegenheit. Dafür plauderte ich mit Cutie Pie, die mit mir den restlichen Abend verbracht hat - eine sehr gelungene Feier!


Mittwoch, 24. November 2010

Remarketing-Opfer

Für alle, die sich nicht  mit Online Werbung beschäftigen, wird der Begriff "Remarketing" neu sein. Das Prinzip ist einfach erklärt: Nehmen wir mal an, Elisa sieht sich ganz naiv den Online-Shop Z. an, tätigt aber keinen Einkauf. Im Hintergrund wird auf Elisas Festplatte ein Cookie installiert, der dafür sorgt, dass Elisa bis ans Ende ihrer Online-Tage auf jeder denkbaren Website immer wieder die gleiche Werbung sieht:  Z. hat diese neuen Angebote! Hast du jenes schon gesehen? Nur morgen gibts 15% auf deinen ersten Einkauf bei uns!

Steter Tropfen höhlt den Stein: Online-Shop Z. hat mit Remarketing auch mich überzeugt und ich habe meine ersten paar Schuhe online erworben. Über die freue ich mich mächtig!

Die Beute - doch wer ist Jäger und wer Gejagter? Stiefeletten von Zign

In genau dem grau, das zu meiner kompletten Jeanskollektion passt. Faltet man das Fußende einer beliebigen Hose in den Einstieg, fügt sich das geraffte Leder perfekt ins Bild. Auch mit Rock einwandfrei kombinierbar. Besonders hübsch ist das Innenfutter mit grau-blauen Blümchen. Vorsicht, nicht zu empfehlen für die kalten Wintertage, dafür ist das Material einfach zu dünn.

Neugierig auf mehr Mode-Beiträge?

Meine charmante Kollegin verfasst unter dem Decknamen "Retail therapist" wunderbar amüsante, selbstironische Beiträge über ihre neueste Beute auf onemorehandbag.blogspot.com. Diesen Blog möchte ich jeden ans Herz legen, der sich für Mode, Make-up und Reiseberichte interessiert - und sich dabei herrlich unterhalten möchte.

Titelbild made by Retail therapist

Dienstag, 23. November 2010

Das Leben ist ein Labyrinth

Lageplan
Ist der originelle Zugang zur U2 bei der Haltestelle "Volkstheater" in Wien bekannt? Möchte ein Fahrgast vom U-Bahn-Eingang gegenüber des Volkstheaters nämlich in die besagte U2 Richtung "Aspernstrasse" einsteigen, muss er einige sich überkreuzende Wege begehen. Beinahe hat man den Verdacht, der Architekt hat sich von Hogwarts Treppenhaus in Harry-Potter-Filmen inspirieren lassen. Oder, auch wahrscheinlich, vom "Haus der Verrückten". Dort meistern Asterix und Obelix die überaus schwierige Prüfung, im größten römischen Verwaltungsgebäude den richtigen Schalter für die Beantragung des Passierscheins 38A zu finden. (http://www.youtube.com/watch?v=lIiUR2gV0xk). Die Treppen, die die beiden Freunde erklommen haben, stehen denen der U2 Station Volkstheater um (beinahe) nichts nach: Zuerst hinunter zur U3 laufen bis vorne ans Gleis. Dort angelangt, eine 180-Grad-Wendung nach rechts. Danach die Hälfte der vorher abgestiegenen Höhenmeter erneut erklimmen - nochmal umdrehen - die letzen Stufen noch im Eilschritt. Sind diese Strapazen geschafft, scheint man schon fast am Ziel. Fast. Denn dann ist mir die U2 knapp vor der Nase weggefahren. Mit Passierschein 38A wäre das nicht passiert.

Montag, 22. November 2010

Piraten an der Elbe

Heute wurde das erste Mal seit 400 Jahren in Hamburg wieder gegen Piraten prozessiert. Die Angeklagten aus Somalia werden beschuldigt, im April diesen Jahres vor dem Horn von Afrika das hanseatische Frachtschiff "Taipan" entführt zu haben. Dabei beschäftigt nicht nur die Richter, welche Strafe bei einem Schuldspruch angebracht ist. Somalia als eines der ärmsten Länder dieser Welt, mit einer Regierung die praktisch nicht handlungsfähig ist und deren Bevölkerung hungert, braucht andere Maßstäbe.

Mir scheint das Leid so weit weg, denn wir Glücklichen in Europa werden nicht vor eine so schwere Wahl gestellt: Verhungern oder Verbrechen. Vielleicht ist Nähe möglich, wenn man erfährt, dass Verbindungen zu diesem fernen Land bestehen. Ja, dass ich sogar Persönlichkeiten aus Somalia kenne, die mich schon berührt haben. Der Musiker K'naan zum Beispiel, der das bewegende Lied Wavin Flag geschrieben hat, ist Somalier. Mit soviel Optimismus wird im Refrain von der flatternde Fahne gesungen, die Freiheit symbolisiert. Piratenflaggen waren damit bestimmt nicht gemeint.

K´naan

Sonntag, 21. November 2010

Wer hats erfunden?

Dieses Wochenende besuchten uns sehr liebe Freunde aus der Schweiz. Als Gastgeschenk mitgebracht haben die beiden Luxemburgerli: eine delikate Aufmerksamkeit, erfunden in der Alpenrepublik - so wurde nicht ohne Stolz erklärt. Die Kekse von quietschpink bis grasgrün kannte ich schon von Wien - wenn auch nicht ganz so fluffig und fein -  unter dem Namen Makronen. Speziell die Makronen aus dem Hause Ladurée werden von Paris auf kürzestem Wege und mit viel Aufhebens importiert. Dabei meinen die Franzosen - wie kann es anders sein -  auch mit stolzgeschwellter Brust: Wir habens erfunden!
Nach einer Recherche auf Wikipedia kann ich nur bestätigen, dass beide Nationen auf Ihre Art recht behalten. Zwar führte der luxemburgische Konditor Camille Studer das Rezept von Frankreich nach Zürich ein, er verfeinerte dieses schmackhafte Gebäck aber noch. Das ist ihm gelungen!
Ein amüsantes Detail am Rande: Der Luxemburger nannte seine Kreation Baiser de Mousse - zu deutsch Schaumküsse. Nun war das den Eidgenossen in den 50er Jahren des vorigen Jahrtausends bei der Bestellung einigermaßen peinlich. Kurzerhand nannten Sie die Köstlichkeit fortan "Luxemburgerli", was Sie wohl besser mit Ihrem Gewissen vereinbarten konnten.


Donnerstag, 18. November 2010

Kaffeeküche

Aufstehen früh morgens ist ein besonders sensibles Thema bei mir, darüber zu schreiben schreckt mich schon ab. Daher konzentriere ich mich auf die tägliche Krönung meines Bemühens: die Kaffeeküche! Zu finden ist dieser Lebensretter im Jonasreindl. So wird die unterirdische Straßenbahnschleife bei der U2-Station Schottentor/Universität von den Wienern genannt. Der Bürgermeister Franz Jonas hat dieses originelle Stück Architektur in den 50ern errichtet und die Form erinnert ein wenig an ein "Reindl" (sowas wie ein Topf), daher der Name.

es dauert nicht mehr lange...
Faszinierend ist schon die Bestellungsannahme in meinem Lieblings-Cafe-to-go: Egal wie lange die Schlange ist, kaum reiht man sich ein, fragt ein freundlicher Herr oder eine nette Dame hinter der Theke: "Was möchtest du denn gern?" Denn die Gäste vor mir haben die Bestellung schon abgegeben, großteils bezahlt und warten noch kurze Zeit, bis Sie das begehrte Heißgetränk endlich entgegennehmen dürfen. Außergewöhnlich daran sind zwei Dinge: Zum ersten, dass man bei dem Gewusel den Überblick behalten kann - und dass man so früh morgens so dermaßen gut drauf ist wie die Bedienung. Der Kaffee ist einmalig, die möglichen Variationen davon mit Sojamilch, Schokolade, Haselnußsirup und ähnlichen Aromen, die meiner Meinung zu dem Geschmackserlebnis eines wirklich guten Kaffees nichts beitragen können, sind schier endlos. Ich bleibe bei meiner Melange.

Zu den Croissants sagen sie übrigens Kipferl, schließlich wurden die ja auch in Österreich erfunden. Bestimmt aus Frankreich kommt das Brioche. Ob die dort besser als hier schmecken ist möglich, aber wenig wahrscheinlich.

Also ein uneingeschränktes Lob zu meinem morgendlichen Fixpunkt, was würde ich bloß ohne euch tun!

Mittwoch, 17. November 2010

Restaurantkritik 2.0

Aussen
Innen
Mittags, 13:00 Uhr in Wien: Wir hatten Hunger, wollten mal was Neues ausprobieren und suchten auf diversen Restaurantbewertungs-Platformen nach geeignetem: das Pan-Asia-Restaurant East to West in der Seilerstätte 14 sollte es werden. Preis-Leistungs-Verhältnis und Ambiente waren top, obwohl das von Außen nicht zu vermuten war. Allein das Service: gewöhnungsbedürftig. Die Chefkellnerin paradox-charmante Art ruppig, die übrigen Angestellten sehr verwirrt und konfus. Den Blogpost wollte ich jedoch nicht verfassen um eine Restaurant zu bewerten, sondern um zu schildern, was passiert wenn ein paar Geeks mit Smartphones an einem Tisch sitzen: Die Handys wurden nach dem dritten unwirschen "Sind-Sie-fertig-mit-gleichzeitigem-Teller-schon-abräumen" gezückt, Qype und Google Maps aufgerufen, Fotos vom Essen geposted und individuell Sterne vergeben. Drei fundierte Bewertungen später bleibt die Frage: Könnten die Besitzer den Service nicht eher verbessern, wenn wir Ihnen unsere Meinung direkt gesagt hätten? Vielleicht wäre uns dann ja auch als Wiedergutmachung der zweifelhafte Genuß zuteil geworden, einen Pflaumenwein aufs Haus zu bekommen.